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Offene Grenzen galten lange als Errungenschaft Europas. Doch seit 2015 kehren Kontrollen an den EU-Binnengrenzen schleichend zurück – zunächst als Ausnahmen, inzwischen als neue Normalität. Migration, Terrorismus, Pandemien und geopolitische Spannungen fungieren dafür als Legitimierungen. Dabei verdrängen Sicherheitslogiken und innenpolitische Belange zunehmend die Freizügigkeit und lassen einen neuen „Border-Spirit“ entstehen.

Die Grenz- und Migrationsforschung teilen trotz der vielzähligen und unterschiedlichen Forschungsinteressen den gemeinsamen Gegenstand der Grenze. Das war Anlass für C. Wille, in seinem neuen Artikel die wissenschaftlichen Entwicklungen und Verständnisse von Grenzen aus Sicht der Grenzforschung darzulegen. Der englischsprachige Text zeigt, wie Grenzen als Prozesse gedacht und untersucht werden können und erleichtert den konzeptionellen Dialog zwischen der Grenz- und Migrationsforschung.

Zum Europatag spricht das UniGR-CBS mit C. Wille und B. Nienaber über die einstige Vision eines grenzenlosen Europas. Im Interview würdigen die Forschenden Robert Schuman als Vordenker der europäischen Idee, sehen aber mit Sorge die Rückkehr der EU-Binnengrenzkontrollen. Das Projekt der offenen Grenzen sei unter Druck geraten, weshalb sich die Frage nach einem solidarischen und offenen Schengen-Raum umso dringlicher stelle.

Vor 40 Jahren wurde das Schengener Abkommen unterzeichnet. Es ermöglichte die Abschaffung der Kontrollen an den EU-Binnengrenzen und schließt heute 29 Länder ein. Anlässlich des runden Jubiläums organisieren das EMN Luxemburg und das UniGR-CBS am 11. Juni eine internationale Konferenz. Dort diskutieren Forschende, Entscheidungsträger:innen und zivilgesellschaftliche Kräfte über die Personenfreizügigkeit in Grenzregionen, die Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen und die Rolle der EU-Außengrenzen im Schengen-Raum.

In der Grenzforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass Grenzen komplexe Phänomene seien. Wenig diskutiert wird jedoch, was genau an Grenzen als komplex gilt. Im neuen UniGR-CBS Working Paper zeigt C. Wille, was Grenzforschende gegenwärtig als komplex betrachten und fragt, welche konzeptionellen Entwicklungen den Diskurs über komplexe Grenzen befördert haben. Der Autor schließt mit Überlegungen, wie Komplexitätstheorien die Grenzforschung inspirieren können.

Wille (2025): On the Reintroduction of Temporary Controls at EU Internal Borders. Developments and Challenges 40 Years After the Schengen Agreement. UniGR-CBS Working Paper 24. mehr Info
Wille, Christian (2025): Border(ing)s. A Border-Studies Perspective. Current Issues in Migration Research 2(1), 18-24. mehr Info
Fellner, Astrid M. / Wille, Christian (2025): Cultural Border Studies. In: Nesselhauf, Jonas / Weber, Florian (Hg.): Handbuch Kulturwissenschaftliche "Studies". Berlin, de Gruyter, 47-67. mehr Info
Wille, Christian (2024): Border Complexities. Outlines and Perspectives of a Complexity Shift in Border Studies. In: Wille/Leutloff-Grandits/Bretschneider/Grimm-Hamen/Wagner (Hg.): Border Complexities and Logics of Dis/Order. Baden-Baden, Nomos, 31-56. mehr Info
Wille, Christian (2024): European Border Region Studies in Times of Borderization: Overview of the Problem and Perspectives. Borders in Globalization Review 5(1), 92-100, doi: 10.18357/bigr51202421528. mehr Info
Wille, Christian (2021): Vom processual shift zum complexity shift: aktuelle analytische Trends der Grenzforschung. In: Gerst/Klessmann/Krämer (Hg.): Grenzforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium. Nomos, 106-120. mehr Info