Luxemburg und die Schweiz beschäftigen über eine halbe Million Menschen aus einer Region im benachbarten Ausland und setzen seit Jahrzehnten auf die Grenzgängerbeschäftigung. Im zweiten Themenheft des UniGR-Center for Border Studies untersuchen 19 Autoren zentrale Entwicklungen an den Grenzgänger-Hotspots, insbesondere den Arbeitsmarkt, grenzüberschreitenden Alltag und die gesellschaftlichen Wahrnehmungen der Grenzgänger.
Laut der Europäischen Verträge dürfen Arbeitnehmer und ihre Angehörigen in jedem EU-Mitgliedsstaat eine Beschäftigung aufnehmen und sind inländischen Arbeitnehmern gleichgestellt. Diese Grundrechte auf Freizügigkeit und Gleichbehandlung nutzen Grenzgänger nahezu täglich. Zu ihnen zählen Arbeitnehmer und Selbstständige, die ihre Berufstätigkeit in einem EU-Mitgliedstaat ausüben und in einem anderen wohnen, in den sie in der Regel täglich – mindestens aber einmal wöchentlich – zurückkehren. Diese Definition gilt im Hinblick auf die soziale Sicherung von Grenzgängern. Außerdem existieren verschiedene geographische Abgrenzungen in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, die zur Ermittlung des Status des Grenzgängers herangezogen werden.
Informationen darüber, wie Grenzgänger in Luxemburg wahrgenommen werden, erlauben Aussagen über das Bild des Grenzgängers. Dabei sind Eigenschaften bedeutsam, die den Grenzgängern von Nicht-Grenzgängern zugeschrieben werden und die das Verhältnis zwischen beiden sozialen Gruppen deutlich machen. C. Wille zeigt, dass die Grenzgänger von der Luxemburger Wohnbevölkerung als „vertraute Fremde“ wahrgenommen werden und das Bild des Grenzgängers somit ambivalent ist.
Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Grenzgänger im Großherzogtum bei der Einstellung ca. 10 Prozent weniger verdienen als ihre Luxemburger Kollegen. Dabei erfahren die Grenzgänger aus Frankreich im Vergleich zu denen aus Deutschland und Belgien die größte Benachteiligung. Die befragten Personalabteilungen geben an, dass Grenzgänger die ‚Luxemburger Gehälter’ nicht benötigen, da die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Wohnländern niedriger sind. Außerdem wird angeführt, dass die Einkommensvorstellungen der Grenzgänger zumeist unter denen der Luxemburger liegen und die Pendler ihr Gehalt seltener verhandeln. In diesem Zusammenhang wird aufgedeckt, dass die Mehrheit der Grenzgänger zum Zeitpunkt der erstmaligen Arbeitsaufnahme nicht oder kaum über das übliche Einkommensniveau informiert ist.
Im Wettbewerb um die besten Köpfe müssen Unternehmen attraktiv sein. Grenzgänger legen besonderen Wert auf flexible Arbeitszeiten und auf eine gute Erreichbarkeit des Arbeitgebers. So können sie problemlos auf die aktuelle Verkehrslage reagieren, Job und Privatleben besser vereinbaren und benötigen weniger Zeit für die zumeist langen An- und Abfahrten. Ferner ist die Mehrsprachigkeit in den Unternehmen von Bedeutung: Grenzgänger wünschen, dass Firmenmitteilungen, Anweisungen oder Arbeitsschutzregelungen in mehreren Sprachen vorliegen und dass Vorgesetze und Personalverantwortliche mehrsprachig sind. Daneben erwarten Grenzgänger von einem grenzgängefreundlichen Unternehmen mehr Unterstützung bei besonderen Belangen, wie etwa bei Steuer- oder Rentenfragen.