Die Cultural Border Studies sind aus der Verschneidung des cultural turns in den Border Studies mit dem border turn in den Cultural Studies entstanden. Sie beschäftigen sich mit sozialen und symbolischen Dimensionen von Grenzen auf alltagskultureller und künstlerisch-ästhetischer Ebene. Inwiefern das aufstrebende Wissenschaftsfeld als Teilgebiet der Border Studies bereits institutionell gefestigt ist, zeigt der systematisierende Überblick.
In der jüngsten Ausgabe von „Borders in Perspective“ (2023) erproben die Autor:innen den analytischen Zugang der Multivalenz mit Analysebeispielen von Governance, Flucht, Berichterstattung, Film und Literatur. In sechs Beiträgen zeigen sie multiple Valenzen von Grenzen auf, rekonstruieren die dafür relevanten Ordnungslogiken und leisten einen wichtigen Beitrag zur Profilierung des Multivalenz-Begriffs in der Grenzforschung.
Borderscapes überwindet das Denken in territorialen Ordnungen, sensibilisiert für die Komplexität von Grenzen und betrachtet sie als Ressourcen. Allerdings kann der Ansatz nur schwer auf den Begriff gebracht werden, steht er doch für einen theoretisch-konzeptionellen Rahmen, der Grenzforschende orientiert und Spielräume für Aneignungen und Mehrdeutigkeiten lässt.
Die Grenzforschung geht von der sozialen Gemachtheit von Grenzen aus und fokussiert soziale Praxis als analytische Kategorie. Dabei wird selten geklärt, was unter ‚Grenzpraktiken‘, ‚border practices‘ usw. genau zu verstehen ist. Der Beitrag zeigt Perspektiven, wie der Praxisbegriff in der Grenzforschung mit soziologischen Sozialtheorien praxistheoretisch fundiert werden kann.
Migration und Populismus sind nur einige Gründe, warum von einer Rückkehr der Grenze gesprochen wird. Genauso hat die Pandemie Grenzen aufleben lassen und gezeigt, dass Vergrenzungen auch im Schengen-Raum stattfinden. Vor diesem Hintergrund wird problematisiert, dass die europäische Grenzraumforschung weiter der geschwächten Leitidee eines Europa ohne Grenzen folgt. Vorgeschlagen wird stattdessen eine Perspektivweitung, die sich an der interdisziplinären Grenzforschung orientiert.
Wenig Aufmerksamkeit erfuhren bisher die Fragen, in welcher Weise die Border Studies mit anderen Wissenschaftsbereichen in Verbindung stehen und auf welchen methodologischen Grundlagen die Grenzforschung beruht. In neun Beiträgen greift die Publikation „Identities and Methodologies of Border Studies“ diese Desiderata auf und setzt Impulse für eine Debatte über aktuelle (inter-)disziplinäre Selbstverständnisse und methodologische Ausrichtungen der Border Studies.
Grenzen stehen wieder verstärkt auf der politischen Agenda, womit auch die Grenzforschung spürbare Entwicklungsimpulse erfährt. Neben einer stärkeren Institutionalisierung differenziert sich das interdisziplinäre Arbeitsfeld immer weiter aus und zählt verschiedene methodologische Neuorientierungen.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist ein vergleichsweise junger Forschungsgenstand, auch ist die Kooperationsforschung (noch) weit davon entfernt, ein disziplinenähnliches Feld mit kanonisierten Ansätzen zu bilden. Dennoch lässt sich die Kooperationsforschung anhand zentraler Entwicklungslinien und Merkmale charakterisieren.
Das Konzept ‚border experiences‘ geht von der sozialen Gemachtheit von Grenzen aus und konzentriert sich auf die Lebenswirklichkeiten, in denen und durch die Grenzen relevant (gemacht) werden. Es impliziert ein multiples Verständnis, nach dem Grenzen unterschiedliche Wertigkeiten für verschiedene Akteure entfalten und ihre Materialisierungen multiple Formen annehmen können.