Prostitutionsregulierung in Luxemburg
Frau Mauer, Sie untersuchen in Ihrem Buch die Prostitutionspolitik in Luxemburg im 20. Jahrhundert. Was finden Sie an dem Thema faszinierend?
Mich hat beeindruckt, wie präsent das Thema in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Europaweit wurde Prostitution damals als Problem wahrgenommen und alle gesellschaftlichen Gruppen haben darüber diskutiert. In Luxemburg jedoch sind die Debatten kaum erforscht – weder aus einer geschlechter-, sozial- oder politikgeschichtlichen Perspektive. Mit meiner Forschung betrete ich hier Neuland und erschließe auch bisher unbekannte Quellen.
Sie untersuchen die Prostitutionsregulierung in Luxemburg. Haben Sie Unterschiede im Vergleich zu den Nachbarländern oder eher Gemeinsamkeiten festgestellt?
Die Prostitutionsregulierung unterschied sich sehr stark von den Nachbarländern. In Luxemburg war die Prostitution strafrechtlich verboten und nicht – wie etwa in Deutschland – polizeilich reguliert, d.h. unter polizeilicher Aufsicht und Schikane erlaubt. Deshalb existierten im Großherzogtum weder Bordelle noch Sittenpolizei. Stattdessen galten die sogenannten ‚Animierkneipen‘ – also Gaststätten mit Frauenbedienung – den Behörden als ‚heimliche Ausübungsorte‘ der Prostitution. Faktisch unterschieden sich die behördlichen Probleme der Kontrolle und Eindämmung der Prostitution jedoch gar nicht so stark. Das Verbot der Prostitution war nicht durchsetzbar, auch die Sittenkontrolle scheiterte.
Der Titel Ihres Buches klingt erstmal etwas sperrig. Was verbirgt sich dahinter?
Der Buchtitel verdeutlicht meine theoretische Perspektive. Theorien werden gebraucht, weil historische Quellen nicht ‚für sich selbst‘ sprechen, sondern interpretationsbedürftig sind. Als Politische Theoretikerin und Geschlechterforscherin interessiert mich die Prostitutionsregulierung auch deshalb, weil ich Theorien überdenken und weiterentwickeln will – in Auseinandersetzung mit der Empirie. Intersektionalität drückt aus, dass Geschlechterverhältnisse nicht ‚isoliert‘ betrachtet werden können. Eine Geschichte der Prostitution in Luxemburg muss vielmehr aufzeigen, wie Geschlechterverhältnisse zugleich verwoben sind mit Staatsbürgerschaft und Nation, aber auch mit Klassenverhältnissen, also mit der Organisation von Arbeit. Mit dem Begriff der Gouvernementalität erfasse ich die Machtlogik, die die Prostitutionspolitik annahm – strafrechtlich, polizeilich oder präventiv. Das Strafrecht versagte bei der Prostitutionsregulierung. Deshalb interessierten sich die Behörden stark für die Lebensführung von Frauen: Wer wohnt wo und mit wem? Wer verdient wieviel und entspricht dies dem Lebensstil? Vor allem Ausländerinnen, die in zweifelhaften Cafés arbeiteten und sich ‚zu teuer‘ kleideten, gerieten in den Fokus der Behörden und wurden wegen Prostitution ausgewiesen – auch ohne strafrechtlichen Grund.
Ihre Analysen stehen im Schnittfeld von Politikwissenschaft, Geschlechterforschung und Geschichtswissenschaft. Eine solche interdisziplinäre Unternehmung ist sicher nicht einfach?
Ja, ich musste aufpassen meinen Fokus nicht zu verlieren. Die verschiedenen Disziplinen unterscheiden sich ja nicht in den Themen, sondern in der Perspektive mit der sie Prostitution analysieren. Eine interdisziplinäre Arbeit muss sich ihre Perspektive deshalb erst mühsam erarbeiten. Zugleich bietet ein disziplinübergreifender Zugang die Chance, etwas Originelles zu machen und verschiedene Disziplinen in ihrem Selbstverständnis zu irritieren und zum Nachdenken anzuregen. Ich hoffe, dass mir das mit meiner Arbeit ein wenig gelungen ist.
Auch heute sind Prostitution und Sexarbeit heftig diskutierte Themen. Unterscheiden sich die historischen von den gegenwärtigen Debatten?
Gleich geblieben ist der Fokus auf die Frauen, die Prostitution ausüben. Prostitutionskunden und ihre Motive bleiben meist unsichtbar, auch wenn mittlerweile von Teilen der feministischen Community die Bestrafung des Konsums sexueller Dienstleistungen gefordert wird. Heute wird die Prostitution vielleicht weniger als gesellschaftliche ‚Gefahr‘ wahrgenommen, sondern als eine ‚falsche‘ – oftmals erzwungene – Lebensperspektive von und für Frauen, die sich potentiell zerstörerisch auf Körper und Psyche auswirkt. Auch ist die Position des sogenannten ‚sexpositiven Feminismus‘ neu, die hervorhebt, dass Prostitution als Sexarbeit auch eine erfüllende, frei gewählte Tätigkeit sein kann. Beide Tendenzen verweisen auf eine Individualisierung, die die gesellschaftlichen Bedingungen von Prostitution kaum reflektieren.
Biographische Notiz
Heike Mauer ist seit 2016 Post-Doc bei der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW an der Universität Duisburg-Essen. Zugleich ist sie Sprecherin des AK Politik und Geschlecht in der DVPW. Ihre Dissertation schloss sie 2015 an der Universität Luxemburg ab. Zuvor studierte sie Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Trier und Lund. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen Intersektionalität, Macht- und Herrschaftstheorien, politische Theorien des Rechtspopulismus sowie Gleichstellungs- und Diversitätspolitiken an der Hochschule.
Kontakt
Beim Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW
Bei Academia.edu
Email heike.mauer[at]uni-due.de