Transnationaler sozialer Raum
Das Modell der transnationalen sozialen Räume bezieht sich im Wesentlichen auf soziale Beziehungen, die sich zwischen unterschiedlichen Orten in verschiedenen Nationalstaaten aufspannen. Analytisch können transnationale soziale Räume in ihrer flächenräumlichen Dimension betrachtet werden, die Kriterien wie etwa Entfernung, Ausdehnung oder Dichte betrifft. In ihrer sozialräumlichen Dimensionen können transnationale soziale Räume über die Handlungen von Menschen bestimmt werden; die Zeitlichkeitsdimension betrifft die jeweilige soziale Konstellation in ihrer historischen Gewordenheit. Das Anliegen des Modells besteht darin, die flächen- und sozialräumliche Dimension nicht containerartig zusammenzudenken, sondern diese konzeptionell zu entflechten mit dem Ziel, analytische Zugänge zu nationale Grenzen überschreitenden Sozialzusammenhängen zu eröffnen.
Ludger Pries, der das Modell im deutschsprachigen Raum in den 1990er Jahren stark machte, bestimmt transnationale soziale Räume als
”relativ dauerhafte, auf mehrere Orte verteilte bzw. zwischen mehreren Flächenräumen sich aufspannende verdichtete Konfigurationen von sozialen Alltagspraktiken, Symbolsystemen und Artefakten. Sie sind […] in verschiedenen Territorien bzw. locales verankert, die wiederum in andere sozialräumliche Einheiten – z.B. von nationalen Container-Gesellschaften – eingewoben sind.Pries 2008: 195
Die Definition von transnationalen sozialen Räumen ist mit verschiedenen Kritiken konfrontiert. So sehen einige Autoren in dem Modell, das im Umfeld der (Trans-)Migrationsforschung entstanden ist, die Gefahr einer Romantisierung von Migration, die Marginalisierung und wirtschaftliche Zwänge ausblendet. Ferner wird daran erinnert, dass transnationale soziale Räume nicht zwangsläufig Globalisierungsdynamiken widerspiegeln, sondern transnationale Phänomene spätestens seit dem 18. Jh. existierten. Außerdem wird Kritik geübt, wenn die Klärung von zentralen Begriffen (z.B. Raum, Kultur, Identität) reklamiert und das Anliegen der sozialräumlichen Figur infrage gestellt wird. Denn das Modell will helfen das Denken in nationalstaatlichen Kategorien aufzubrechen, es setzt diese jedoch voraus und rekonstruiert auf transnationaler Ebene eine Containervorstellung. Alternativen dazu bieten prozess- und subjektzentrierte Konzepte der Kulturwissenschaften, wie etwa Räume der Grenze.