Ringvorlesung vom 20. Februar bis 22. Mai 2014
Die ‚Großregion SaarLorLux’ liegt im Herzen Europas. Dies wird im politischen Diskurs unermüdlich wiederholt mit dem Ziel, die grenzüberschreitende Region nach innen und außen stärker sichtbar zu machen. Zu hinterfragen ist aber, was dort überhaupt sichtbar gemacht werden soll. In der Ringvorlesung wird daher aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln untersucht, was unter ‚Großregion SaarLorLux’ verstanden werden kann.
Dafür eingeladen sind 16 Dozenten der Universitäten Luxemburg, Saarland und Lothringen. In zwölf Vorlesungen sprechen sie über Wirtschaft, Beschäftigung und Arbeitnehmermobilität, Governance und Zusammenarbeit, grenzüberschreitende Alltagspraktiken und Identitäten, Wohnmigration, Medienpraktiken und grenzüberschreitende Medienöffentlichkeit, Kunst und Kulturpolitik.
”„Schon die Einführung hatte viel Spannendes und zum Teil wenig Bekanntes zu bieten.“Wiebke Trapp, Journalistin
Die öffentliche Ringvorlesung wird veranstaltet im Rahmen des Bachelor en Cultures Européennes und richtet sich an Studierende sowie an eine außeruniversitäre Zuhörerschaft. Die Sprache der Vorträge (Deutsch/Französisch) ist abhängig von den jeweiligen Dozenten. Die einzelnen Vorlesungen finden jeweils donnerstags statt von 14.15-15.45 Uhr im Salle Piaget auf dem Campus Walferdange der Universität Luxemburg.
Konzeption und Koordination: Christian Wille
Dr. Christian Wille (Universität Luxemburg)
Die ‚Großregion SaarLorLux’ liegt im Herzen Europas. Dies wird im politischen Diskurs unermüdlich wiederholt mit dem Ziel, die grenzüberschreitende Region nach innen und außen sichtbar zu machen. Zu hinterfragen ist aber, was dort überhaupt sichtbar gemacht werden soll und wie dies gelingt. Diese Leitfrage wird in ihren Grundzügen einführend entwickelt und auf die Themenfelder der Vorlesungsreihe zugespitzt. Dafür wird auf Institutionalisierungsprozesse von Regionen und auf raumtheoretische Überlegungen im grenzüberschreitenden Kontext eingegangen. Darauf aufbauend wird ein Ausblick gegeben auf die Fragestellungen der folgenden elf Vorlesungen mit Dozenten aus Luxemburg, Deutschland und Frankreich.
Prof. Dr. Peter Dörrenbächer (Universität des Saarlandes) und PD Dr. Malte Helfer (Universität Luxemburg)
Die Wirtschaftsentwicklung in Lothringen, Saarland, Luxemburg und Wallonien zeigt eine Reihe von Gemeinsamkeiten: In diesen frühindustrialisierten Regionen etablierte sich die Montanindustrie, mit der die Industrialisierung ihren Aufschwung nahm, als langfristig dominierende Größe. Ihr enormer Erfolg sorgte aber auch für eine langfristige wirtschaftliche Einseitigkeit, die die Regionen seit dem Niedergang der Montanindustrie vor gravierende Strukturprobleme stellt. Schon früh kam es zu grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen, die durch die wiederholten Grenzverschiebungen unterstützt und nach dem 2. Weltkrieg fortgesetzt und vertieft wurden. Luxemburg schlägt seit den 1970er Jahren einen eigenen Entwicklungspfad ein und kann sich im Zuge des europäischen Integrationsprozesses als Standort europäischer Institutionen und als internationaler Finanzplatz etablieren.
Dr Franz Clément (CEPS/INSTEAD)
Certaines expressions utilisées pour qualifier la Grande Région proviennent d’une confusion entre deux notions très différentes : l’intégration et la coopération. Le cours prendra en considération un certain nombre de textes fondateurs afin de faire apparaître les institutions de la Grande Région ainsi que les pouvoirs de celles-ci. Dans un second temps, l’exposé démontrera comment ces institutions tissent entre elles des liens coopératifs et pourraient éventuellement nouer d’autres liens cette fois d’intégration. Troisièmement, le cours s’intéressera aux réalisations de la Grande Région en envisageant des formes de coopération et de construction territoriale plus poussées.
Dr Rachid Belkacem (Université de Lorraine) et Isabelle Pigeron-Piroth (Université du Luxembourg)
Dans le cadre de ce cycle de conférences portant sur la Grande Région, cette présentation se focalisera sur l’emploi et le travail frontalier (qui concerne 213 400 personnes en 2011). Dans quelle mesure le travail frontalier permet-il de donner une réalité concrète à la Grande Région ? Peut-on parler de marché du travail transfrontalier ? Les dimensions socio-économiques du phénomène frontalier seront abordées, mais aussi les effets et les enjeux du travail frontalier (pour les territoires comme pour les personnes concernées).
Dr Estelle Evrard (Université du Luxembourg) et Prof. Dr Christian Schulz (Université du Luxembourg)
Basée sur les interventions précédentes introduisant les éléments clés du développement spatial de la Grande Région (économie, travailleurs transfrontaliers), la première partie de ce cours vise à familiariser les étudiants avec les enjeux spécifiques de l’aménagement du territoire dans un contexte transfrontalier. Ensuite, les stratégies politiques développées au cours du temps et leurs instruments seront abordés. L’évolution plus récente sera approfondie dans la deuxième partie dédiée au projet METROBORDER. Cette seconde partie a pour objectif de souligner les enjeux d’une gouvernance transfrontalière en cours de maturation. Après avoir présenté les principaux ressorts d’un discours transfrontalier orienté vers une région métropolitaine polycentrique transfrontalière, l’intervention se concentrera sur le cadre territorial et institutionnel de la coopération.
Dr. Antje Schönwald (Universität des Saarlandes)
Die Ergebnisse einer qualitativen Studie mit Akteuren der Großregion geben Aufschluss über Identitätskonstruktionen, Kategorisierungen und Stereotypisierungen im grenzüberschreitenden Verflechtungsraum Großregion. Entstehung und Folgen von Kategorisierungen in der grenzüberschreitenden Kooperation, das Verhältnis von Selbst- und Fremddarstellung und die Vorstellung einer Typisierung großregionaler Identitäten sind Bestandteil der Vorlesung. Aktuelle Identitätskonstruktionen innerhalb der Großregion lassen sich nicht mit denen von Nationalstaaten vergleichen. Es entstehen neue Konstruktionsmechanismen und Patchworkidentitäten, die jedoch durch zahlreiche Bemühungen ‚von oben‘, die gemeinsame historische Vergangenheit zu betonen und eine nationalstaatsähnliche großregionale Identität zu fördern, weitgehend unberücksichtigt bleiben.
Dr. Gundula Scholz (Georg-August-Universität Göttingen)
Im SaarLorLux-Raum leben Menschen in einer multikulturellen Gesellschaft zusammen, die aber oftmals stark von einem Nebeneinander und von Unterschieden geprägt ist. In der Vorlesung werden Erkenntnisse aus einer wahrnehmungsgeographischen Studie über das aktionsräumliche Verhalten der Bewohner im SaarLorLux-Raum vorgestellt und Potenziale und Defizite im alltäglichen grenzüberschreitenden Zusammenleben abgeleitet. Durch die Fokussierung auf die Befragung von jungen Menschen, die die Zukunft darstellen, wird der Frage nachgegangen, ob sich traditionelle und eventuell auch eingefahrene Sichtweisen von Generation zu Generation übertragen und die Jüngeren beeinflussen. Es wird außerdem diskutiert, inwieweit die Grenzen in den Köpfen der Menschen auch nach ihrer Öffnung durch das Schengener Abkommen verankert bleiben und ob die Bewohner einer Grenzregion zu grenz-überschreitend agierenden Europäern werden.
Dr Vincent Goulet (Université de Lorraine) et Prof. Dr Christoph Vatter (Universität des Saarlandes)
L’objectif de ce cours est de présenter la façon dont les informations circulent au travers les multiples frontières étatiques, linguistiques, culturelles et sociales de la Grande Région et les interactions entre les espaces médiatiques et les espaces politiques. Les uns et les autres apparaissent relativement compartimentés dans des espaces nationaux, ce qui restreint les possibilités de circulations des nouvelles mais aussi la projection des populations dans une identité « grand régionale » partagée. Pourtant, en s’appuyant sur les changements structuraux de l’économie au sein de la Grande Région, quelques initiatives dessinent les traits d’un « espace public médiatique transfrontalier ». En mobilisant le concept de champ médiatique (Bourdieu), nous étudierons les relations entre les médias et leurs publics en les resituant dans leurs contextes économiques et politiques.
Dr. Elisabeth Boesen (Universität Luxemburg) und Dr. Gregor Schnuer (Universität Luxemburg)
Die Großregion ist wie kaum eine andere Region Europas durch grenzüberschreitende Bewegungen gekennzeichnet. Die täglichen Pendlerströme nach Luxemburg sind die sichtbarste Erscheinungsform dieser Mobilität. Seit einigen Jahren ist eine weitere Mobilitätsform hinzugekommen: die grenzüberschreitende Wohnmobilität. Diese Bewegung führt von Luxemburg in die Peripherie. Eine Ursache dafür liegt in den steigenden Preisen für Wohnraum im Großherzogtum. Ausgehend von den Ergebnissen einer empirischen Studie wird sich mit der Wohnmigration von Luxemburg in den deutschen Moselraum beschäftigt und mit ähnlichen Erscheinungen in anderen europäischen Regionen verglichen. Gleichzeitig liefert die Vorlesung einen Einblick in die Versuche, die Wohnmobilität im Feld der borderland studies und Mobilitätsforschung theoretisch zu verorten.
Elena Kreutzer (Universität des Saarlandes / Universität Luxemburg)
Die Vorlesung stellt einen Vergleich von Inhalten und Ähnlichkeiten im medialen Migrationsdiskurs der SaarLorLux-Region vor am Beispiel ihrer führenden Tageszeitungen „Luxemburger Wort“, „Républicain Lorrain“ und „Saarbrücker Zeitung“ für den Betrachtungszeitraum 1990 bis 2010. Dabei soll jedoch weder eine einseitige Suche nach Unterschieden und Divergenzen, noch nach Parallelen und Synchronisationen erfolgen, sondern der Fokus liegt auf nationenübergreifenden oder -durchziehenden Prozessen. Mittels inhalts- und diskursanalytischer Befunde zu den Migrationsberichterstattungen soll überprüft werden, ob eine gegenseitige Verschränkung nationaler Medienöffentlichkeiten oder vielmehr eine von nationalen Differenzierungen geprägte mediale Öffentlichkeitskonstruktionen in der SaarLorLux-Region feststellbar sind. Darauf aufbauend können Aussagen getroffen werden, inwiefern der Saar-LorLux-Raum als grenzüberschreitender Kommunikationsraum betrachtet werden kann.
Dr Gaëlle Crenn (Université de Lorraine)
La désignation de Luxembourg et Grande Région au titre de Capitale européenne de la Culture en 2007 a constitué une opportunité pour développer un espace culturel commun à travers le déploiement d’une programmation culturelle transfrontalière de grande ampleur. Ce fut aussi l’occasion de mettre en œuvre les prémices d’une politique culturelle transfrontalière, et de mettre à l’épreuve des stratégies et des dispositifs de coopération culturels innovants. Dans le domaine muséal, des stratégies fondées sur la mise en réseaux d’équipements mais aussi sur l’investissement de lieux industriels réaffectés pour des expositions événements ont été déployées. Au-delà des consensus politiques initiaux, nous verrons, à travers l’analyse des controverses qui ont émaillé la conception de ces dispositifs muséaux, en quoi ils s’inscrivent dans l’évolution de l’économie muséale, et comment ils témoignent tant de la construction de nouveaux espaces communs d’appartenance que de la persistance des attachements des acteurs aux territoires singuliers.
Dr. Eva Mendgen (freie Kunsthistorikerin, Saarbrücken)
Glasmacher aus ganz Europa ließen sich ab dem 14. Jh. im Norden und im Süden der Großregion nieder. Bald schon gab es bedeutende Glasmachergemeinden am Rand der Vogesen, im Warndt und im Saarkohlewald (Lothringen/Saarland) sowie in den wallonischen Regionen Namur, Lüttich und Centre. Sie profitierten vom Kapital- und Wissenstransfer über Grenzen hinweg, sie spezialisierten sich. Unternehmer, Handwerker, Ingenieure und Künstler unterschiedlichster nationaler Herkunft arbeiteten Hand in Hand. Diese „Glasmacher-Grenzgänger“ und ihr Savoir-faire stehen exemplarisch für das „Land zwischen den Ländern“ und seine Identität als ein besonderer „Raum der Grenze“ (Wille). Ihre Produkte, zwischen Unikat und Industrieware angesiedelt, genießen bis heute internationales Ansehen. Dahinter steht eine „Kulturgemeinschaft“ der besonderen Art und die man als Teil jener „communauté culturelle“ deuten kann, die Robert Schuman in seinem Buch „Pour l’Europe“ 1963 als Grundlage des modernen Europas anspricht.